Annexionspläne Israels
20. Jun 2020
Sehr geehrte(r) Frau/Herr Abgeordnete(r),
am 1. Juli 2020 will die neugewählte israelische
Regierung der Knesset Gesetze zur Annektierung von ca. 30% des
Westjordanlands vorlegen. Es bleiben nur wenige Wochen, um Israel davon
zu überzeugen, an der Möglichkeit einer dauerhaften und einvernehmlichen
Einigung zwischen Palästina und Israel festzuhalten. Wir wenden uns
heute an Sie als Abgeordnete des Deutschen Bundestages mit der Bitte,
sich gegen diese drohende schwere Verletzung des Völkerrechts
einzusetzen.
pax christi München & Freising hält seit
vielen Jahren Kontakt – auch über Austauschreisen – zu palästinensischen
und israelischen Friedensgruppen und sieht aufgrund dieser konkreten
Erfahrungen vor Ort in diesen Annexionsplänen eine große Gefahr für den
Frieden in dieser Region.
Die Rechtslage ist unstrittig: Die Annexion von
besetztem Gebiet verstößt gegen mehrere Resolutionen des
UN-Sicherheitsrates, darunter die Resolutionen 242(1967), 478(1980) und
2334(2016). Auch die Genfer Konvention ist eindeutig: Der Erwerb von
Territorium durch Krieg ist verboten (Art. 47 IV. Genfer Konvention).
Der Europäische Gerichtshof hat erst im vergangenen November bestätigt,
dass Israel in den palästinensischen Gebieten eine Besatzungsmacht ist,
dass die Siedlungen im von Israel besetzten Westjordanland nicht Teil
des israelischen Staatsgebiets sind und dass die israelische
Siedlungspolitik gegen das Humanitäre Völkerrecht verstößt. Eine
gemeinsame Erklärung von Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und
dem Vereinigten Königreich vom 12. September letzten Jahres hat
eindeutig festgestellt: Die einseitige Annexion irgendeines Teils des
Westjordanlandes wäre "ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht".
In den Oslo-Verträgen von 1993, die uns allen
Grund zur Hoffnung auf einen dauerhaften Frieden in der Region gegeben
hatten, war festgelegt worden, dass die besetzten Gebiete Stück für
Stück unter die Verwaltung der palästinensischen Autonomiebehörde
gestellt werden sollten. Jetzt soll diese Hoffnung endgültig zu Grabe
getragen werden, indem Israel einen Großteil dieser Gebiete annektiert.
Übrig bleiben die palästinensischen Städte und Dörfer in Zone A und B
ohne ihr Umland. Die Gründung eines lebensfähigen palästinensischen
Staates auf den verbleibenden unzusammenhängenden Gebieten ist
illusorisch. Es ist die schlimmste denkbare „Lösung“ für die
Palästinenser: Sie sind nicht einmal in den israelischen Staat
integriert, sondern in ihren Enklaven eingemauert.
Mit dem geplanten Schritt Israels werden alle
angedachten Friedenslösungen endgültig Makulatur. Frieden zwischen
Israelis und Palästinensern rückt in weite Ferne. Vor allem wird die
Sicherheit für Israelis und Palästinenser extrem gefährdet. Ebenso der
bisherige Frieden mit Ägypten und Jordanien. Dabei gehört die Sicherheit
Israels doch wie immer betont wird zur deutschen Staatsräson.
Wir bitten Sie, sich dafür einzusetzen, im Falle
der Annexion die Zusammenarbeit mit Israel auf europäischer Ebene
drastisch einzuschränken und der neuen israelischen Regierung die
ernsten Konsequenzen eines solchen Schrittes im Vorfeld der Entscheidung
deutlich klarzumachen.
Über eine kurze Rückmeldung wie Sie die
Situation einschätzen und welche Schritte Sie gegebenenfalls
veranlassen, würden wir uns sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Martin Pilgram
Vorsitzender des pax christi Diözesanverbandes München und Freising
pax christi DV München und Freising
Marsstr. 5
80335 München